Über einen Newsletter flatterte heute die Einladung herein, einen Kurs für Belletristik-Autorinnen zu besuchen, bei dem es um die „Heldenreise“ geht.
Beim Durchlesen des Angebots wird klar, dass es um die typische Hero’s Journey geht, die in den USA seit 40 Jahren unterrichtet wird, die aber erst jetzt so richtig in Deutschland ankommt.
Wenn ich vor ein paar Jahren etwas zur Heldenreise sagte, war sie zwar bei Drehbuchautor*innen bekannt und bei Autor*innen, die viele englische Schreibratgeber lasen. Bei den anderen nicht.
Ich finde schön, dass das Konzept der Heldenreise jetzt auch in Deutschland ankommt. Trotzdem muss ich mich in letzter Zeit ganz oft in Facebook auf die Finger setzen, um nicht lang und breit zu kommentieren. Denn: In den USA ist man bei dem Thema schon viel weiter. Die klassische Heldenreise wird im englischsprachigen Ausland seit Jahrzehnten kritisch gesehen und kontrovers diskutiert. Und, was ich am wichtigsten finde: Es gibt längst Alternativen zur klassischen Heldenreise. Und seien wir mal ehrlich: Für die Plotter unter uns Autoren ist JEDES Plot-Tool eine Bereicherung. Je mehr Erzählmuster wir kennen, umso eher finden wir eins, dass tatsächlich zu unserer individuellen Geschichte passt.
Ich würde soooo gern die Details zu dieser alternativen Heldenreise in Deutschland bekannt machen. Ich finde enorm wichtig, dass Autorinnen und Autoren BEIDE Modelle in der Hand haben. Erst dann haben sie ein Werkzeug, mit dem sie die Art von Handlungsstrang erzählen können, der zu ihrem Charakter und ihrem Worldbuilding passt.
Ich gebe (zumindest momentan) keine Schreibkurse mehr, auch nicht online. Deshalb habe ich lange überlegt, wie ich die Infos, die ich für meine Schreibkurse zusammengetragen habe, sinnvoller veröffentlichen kann, als alle paar Wochen auf Facebook einen langen Kommentar zu schreiben, wenn jemand mal wieder „One size fits all“-mäßig die Heldenreise über alles gestülpt hat. Ich werde entweder einen Blogpost daraus machen (den du gerade liest) oder, falls es zu lang wird, eine Reihe von Blogposts. Vielleicht später auch mal ein PDF zum Download. Wenn dich das interessiert, schreib mir.
Da geht’s doch gar nicht um männlich gegen weiblich!
Was bei der Diskussion der klassischen Heldenreise oft aus dem Ruder geht und für unnötige Diskussionen sorgt: Die klassische Heldenreise gilt als „männliche“ Art, eine Herausforderung zu meistern. Wenn man das sagt, gehen natürlich gleich ganz viele auf die Barrikaden: „Dass man jetzt alles gendern muss! Ätz!“ „Dass Frauen immer ihr eigenes Ding aufziehen müssen.“
Das geht aber am echten Punkt vorbei. Eigentlich geht es nicht um das Geschlecht der Protagonisten, sondern um zwei verschiedene Arten, mit einem Problem umzugehen. Bzw. manche Protagonisten können dem Antagonisten besser auf die eine oder andere Art begegnen. (Zumindest aus Sicht der Autor*in. Aber das können wir ja weiter unten noch diskutieren.)
Es gibt im englischsprachigen Raum schon länger mehrere Alternativen zur klassischen Heldenreise. Leider ist die von Maureen Murdock („Heroine’s Journey“), die ich am unbrauchbarsten finde, als einzige halbwegs bekannt. Vor allem, seitdem die Theorie aufkam, dass hinter dem erfolgreichen Film Wonder Woman diese Heldinnenreise steht. Die zum Plotten beste Alternative (die „Virgin’s Promise“ von Kim Hudson), die auch den „Segen“ des Heldenreise-Experten Christoph Vogler hat, ist leider, leider nahezu unbekannt.
Das mag auch am gewählten Namen liegen — wer sagt schon „Jungfrauenreise“? 🙉🙊
Ich finde, „Prinzessinnenreise“ trifft es inhaltlich am besten, aber da hat man vermutlich auch die falschen Assoziationen. Und welcher Autor mag für einen actiongeladenen Urban Fantasy-Roman mit Haudrauf-Heldinnen und Helden nach der „Prinzessinnenreise“ als Vorbild greifen? Wenn es nicht so sperrig und etwas albern klingen würde, würde ich „die Prinzling-Reise“ sagen. Du siehst weiter unten, warum. (Und wenn dir ein besserer Name einfällt: Schreib mir. Ich bin fest überzeugt, dass diese Form von Plot mit einem schönen Namen auch bekannter würde.)
Weiter geht’s in Teil 2 der kleinen Serie über Heldenreisen.
Denn der ganze Blogpost ist jetzt bei knapp 16.000 Zeichen, also 8 engbedruckten DIN-A4-Seiten. Das will ich Dir nicht in einem Durchgang antun. :-)